Ferenc Snétberger - solo

Jeder Abend ist anders...

Ob man nun die Titel seiner Stücke nimmt, ob man sein Programm liest oder zwei seiner Konzerte nacheinander besucht, man hat einfach keine Chance, vorher zu wissen, was der Abend bringt, wie seine Musik tatsächlich klingen wird. 
Ferenc Snétberger - solo - © Attila Kleb

© Attila Kleb

Ungewöhnlich ist das vor allem, weil auch der Künstler selbst nicht weiß, welchen Lauf sein Konzert nehmen wird. Nicht dass sich Snétberger nicht vorbereitet, ganz im Gegenteil: Noch heute, 25 Jahre nach seinem ersten Auftritt, ist er schon Tage vorher aufgeregt, übt wieder und wieder sein Programm. Nein, an mangelnder Vorbereitung liegt es gewiss nicht, dass jeder Abend anders ist. "Man muss das Publikum vorbereiten auf das, worum es einem eigentlich geht. Das Publikum muss sich an meine Musik gewöhnen, um sich wirklich darauf einlassen zu können", sagt Snétberger und versteckt dahinter einen hohen Anspruch. Denn seine eigene stilistische Handschrift entzieht sich den gängigen musikalischen Kategorien.
 
Seine Kompositionen spannen den Bogen von heimischem Gypsy-Jazz zu spanischem Flamenco, von der klassischen Gitarre hin zu jazzigen Episoden. Das Publikum auf diese Reise zwischen den musikalischen Welten mitzunehmen, um es dann mit dem Gefühl zu entlassen, etwas Ungewöhnliches und ganz Besonderes erlebt zu haben, das ist sein Ziel - und die Improvisation sein Mittel dafür.
 

Wenn er auf die Bühne tritt, hat er meist ein Blatt Papier dabei,
auf dem die Noten für ein oder zwei Takte stehen

Snétbergers Musik hat Kernideen, die niemals verloren gehen. Wenn er auf die Bühne tritt, hat er meist ein Blatt Papier dabei, auf dem die Noten für ein oder zwei Takte stehen, dahinter einige Tonarten und vielleicht noch ein weiterer Takt Noten. Nichts, was ein anderer verstehen könnte, nichts, was das ungeübte Auge auch nur für eine ernsthafte Aufzeichnung halten könnte. Für den in Berlin lebenden Ungarn sind diese Notizen das Gerüst. Er weiß genau, durch welche Tonarten er sein Thema führen will, hat Dreh- und Wendepunkte festgelegt. Alles, was er spielt, ist Improvisation, aber alles steuert auf ein Ziel zu. Deshalb verliert sich ein Stück niemals im Nirgendwo, ganz gleich, wie es an jenem Abend klingt.
"Ja, in gewisser Weise spielt das Publikum mit", sagt Ferenc Snétberger. Wenn in Palermo die Menschen auf ihre Stühle springen, während die Gitarre zwischen Gypsy und Rumba tanzt, oder wenn in Berlin beim Tango in der Phillharmonie kein Kratzton untergeht, so sind das "doch ganz unterschiedliche Situationen". Und die Improvisation macht den Künstler so frei, die Stimmung des Momentes aufzunehmen und einfließen zu lassen in den nächsten Augenblick. Für diese Interaktion liebt Snétberger sein Publikum, und manchmal, wenn er vor mehr als
1000 Menschen in der überfüllten Musikakademie von Budapest spielt, lobt er sein Publikum auch dafür.
Ferenc Snétberger ist mit Musik aufgewachsen. 1957 als jüngster Sohn einer musikbegeisterten Sintifamilie in Nord-Ungarn geboren, lernte er durch Zuhören und gemeinsames Musizieren von seinem Vater. "Er spielte nachts und ging morgens zur Arbeit, er war der beste Gitarrist der ganzen Gegend. Mein Vater hatte einen ganz eigenen Ton und seinen eigenen Stil."
Auch für Ferenc gab es von klein auf nur das eine Ziel, einmal ein großer Gitarrist zu werden. Wirklich gefördert hat der Vater die Musikbegeisterung seines Jungen nicht. Erst mit 13 Jahren durfte Ferenc zur Musikschule. Er lernte klassische Gitarre und entdeckte seine Liebe zur Musik von Johann Sebastian Bach. Diese Faszination ist bis heute eine Konstante. Ausgerechnet der Gitarrist, der von sich selbst sagt, ohne die Improvisation nicht musizieren zu können, und der sich durch die Aufnahme ganz unterschiedlicher musikalischer Genres und Stile in sein eigenes Werk einen Namen gemacht hat, schätzt die Perfektion von Bachs Musik. Ein Widerspruch nur auf den ersten Blick.
 
Mit der "Kunst der Fuge" findet sich auf Snétbergers  "BALANCE" zum ersten Mal ein Stück von Bach. Viele Jahre hat sich Snétberger mit dem Gedanken getragen, Bachs Werke für Gitarre zu bearbeiten. Immer wieder hat er seiner Familie und Freunden davon erzählt. Immer wieder haben sie und sein Produzent Matthias Winckelmann ihn dazu ermuntert. Dass es erst jetzt so weit ist, mit nur einem Stück, ist wieder typisch für Ferenc Snétberger. Er muss erst sicher sein, dass der Moment stimmt und dass das, was er tut, auch gut genug für den höchsten Anspruch, für seinen Anspruch ist. Denn so offen wie die Improvisation den nächsten Takt auch lässt, die Ziele sind klar, in jedem Augenblick und an jedem Abend, an dem Ferenc Snétberger auf die Bühne tritt.
Im Frühjahr 2016 erschien Snétberger neustes solo Album IN CONCERT (ECM RECORDS).
Ferenc Snétbergers ECM-Debüt präsentiert den gefeierten ungarischen Gitarristen mit einem Soloauftritt vor einem hingerissenen Publikum in der Liszt-Akademie in Budapest. Snétbergers achtteilige, mit Improvisationsteilen reichlich durchsetzte Suite mit dem Titel „Budapest“ bezieht subtil Einflüsse aus der brasilianischen Musik aus dem Flamenco, dem Jazz und der Klassik, wie auch aus Snétbergers Roma-Hintergrund. Als Zugabe offeriert er den Harold Arlen-Evergreen „Somewhere Over The Rainbow“.